29 November 2018

Gastbeitrag

Drittgrößter Versicherer erteilt Absage an Kohle – Wer wird jetzt noch das in Polen geplante Großkraftwerk Ostroleka C versichern?

Von Kuba Gogolewski – Senior Finance Campaigner der Stiftung “Development YES – Open-Pit Mines NO”

Der europaweit drittgrößte Versicherer Generali zieht mit Axa, Allianz und Zurich gleich und versichert ab jetzt keine neuen Kohlekraftwerke und Kohlebergbauprojekte mehr. Damit erhöht sich die Zahl der großen internationalen (Rück-)Versicherungsgesellschaften, die keine Kohleprojekte mehr zeichnen, auf sieben.

Die Financial Times hat diese Entwicklung im Versicherungssektor als “willkommen und logisch” bezeichnet. Tatsächlich müssen laut Bericht des Internationalen Gremiums für Klimawandel (IPCC) bis zum Jahr 2030 zwischen 59 und 78 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten aus Kohle abgeschaltet werden, wenn die globale Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll. Auch andere Institutionen haben die Notwendigkeit eines zügigen Kohleausstiegs festgestellt: die Internationale Energieagentur empfiehlt z.B. in ihrem “Beyond 2°C”-Szenario den EU- und OECD-Ländern bis 2030 aus der Kohle auszusteigen, in den anderen Ländern muss der Ausstieg bis 2040 abgeschlossen sein.

Obwohl der kürzlich erschienene IPCC-Bericht klarstellt, dass wir in beispiellosem Ausmaß handeln und so schnell wie möglich aus der Kohle aussteigen müssen, werden immer noch neue Kohlekraftwerke und Tagebaue geplant. Allein in Polen, wo im Dezember der UN-Weltklimagipfel stattfindet, planen und bauen die Unternehmen PGE, Enea und Energa mehrere neue Kohlekraftwerke. Auch neue Braunkohletagebaue und Steinkohlebergwerke sind geplant. Doch es kommt noch schlimmer: Letzte Woche präsentierte das polnische Energieministerium einen Entwurf für eine neue nationale Energiepolitik. Laut dieser sollen im Jahr 2030 immer noch 60 Prozent des Stroms aus der Kohle kommen. Ostroleka C soll eine relevante Rolle spielen während Windparks an Land ganz verschwinden sollen. So viel zu Realitätsnähe in Sachen Klimawandel.

Die Ankündigung von Generali mischt nun die Karten neu. Für das geplante Kohlekraftwerk Ostroleka C wird es jetzt noch schwerer, ein Unternehmen zu finden, das bereit ist, die Risiken eines solchen klimaschädlichen Großprojektes abzusichern. Allianz und Munich Re kommen aufgrund ihrer Ausschlusskriterien für Kohleprojekte nicht in Frage. Das von den polnischen Staatsunternehmen Enea und Energa geplante Kraftwerk soll 2023 in Betrieb gehen und rund 40 Jahre laufen. Die damit einhergehende Luftverschmutzung könnte bis zu 2000 statistische vorzeitige Tode verursachen.

Nachdem nun auch Generali seine Versicherungsstandards aktualisiert hat, geht der Blick zu den Gesellschaften, die noch keine Selbstverpflichtung eingegangen sind.

Die Vienna Insurance Group (VIG) and UNIQA sind beide bereit, Ostroleka C zu versichern, denn sie haben nicht ausgeschlossen, am Bieterverfahren teilzunehmen. Dies ist nicht ungewöhnlich für VIG. Erst kürzlich wurde bekannt, dass das Unternehmen Versicherungsschutz für das fertiggestellte tschechische Kraftwerke Ledvice gewährleistet. Außerdem hat VIG eine lange Liste von versicherten Kohleprojekten in Polen.

Mit dem jüngsten Schritt der Generali haben sich alle großen Kohleversicherer in Polen verpflichtet, keine neuen Kohlewerke zu versichern. Alle bis auf einen: Talanx, deren polnische Tochtergesellschaft TUiR Warta S.A. die Versicherung des umstrittenen mit Steinkohle befeuerten Neubauprojekts Ostrołęka C nicht abgelehnt hat.

Mit dem Schritt von Generali haben sich nun alle historisch wichtigen Versicherer von Kohleprojekten in Polen verpflichtet, keine neuen Kraftwerke mehr zu versichern. Alle bis auf einen: Talanx, dessen polnische Tochter – TUiR Warta S.A. – sich noch nicht öffentlich davon distanziert hat, Ostroleka C zu versichern.

Es gibt kaum Alternativen zum nun fehlenden Versicherungsschutz für Kohle. Ohne Schutz jedoch wird sich keine Bank finden, die den Betreibern Geld für den Bau leihen wird. Je kleiner das Land und sein Finanzmarkt, desto stärker werden sich die Selbstverpflichtungen von Generali, Allianz, Munich Re, Swiss Re und Zurich auswirken.  

Kraftwerksbauer und Tagebaubetreiber auf dem Westbalkan, in Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Ungarn, Tschechien, Polen und der krisengeschüttelten Türkei werden anerkennen müssen, dass sich die Chancen, Versicherungsschutz für ihre Kohleprojekte zu finden, schwieriger und schwieriger gestaltet.         

Talanx, VIG und Uniqa werden von europäischen Bürgern, Aktivisten und Campaignern, die sich um die Zukunft und die Gesundheit ihrer Kinder und Familien sorgen, verstärkt beobachtet, bis sie Generali und anderen europäischen Versicherern folgen und sich öffentlich verpflichten, die Versicherung für neue Kohlekraftwerke und Minen einzustellen.

Wie das französischer Vloggerkollektiv Partager C’est Sympa in einem Video der Kampagne “Europe Beyond Coal” zeigt, rücken Talanx, VIG und Uniqa immer mehr in den Fokus europäischer Bürger*innen, Aktivist*innen und Kampaigner*innen, die sich für eine bessere Zukunft und Gesundheit ihrer Kinder einsetzen. Dies wird so bleiben, bis diese Versicherer sich Generali und den anderen Gesellschaften anschließen und sich öffentlich dazu verpflichten, keine neuen Kraftwerke und Bergwerke mehr zu versichern.

 

Kraftwerksblock Betreiber Eigentümer Leistung (MW) Status
Gubin Power Project PGE PGE 3000 geplant
Jaworzno 3 B7 Tauron Tauron Group 910 im Bau
Łęczna Power Station Enea Enea 500 Genehmigungsphase
Opole B5 PGE PGE 900 im Bau
Opole B6 PGE PGE 900 im Bau
Ostrołęka C ENERGA, Enea ENERGA, Enea 1000 genehmigt
Północ Power Station Unit 1 Polenergia Polenergia 800 Genehmigungsphase
Północ Power Station Unit 2 Polenergia Polenergia 800 Genehmigungsphase
Turów B11 PGE PGE 460 im Bau
Zabrze II 1 Fortum Fortum 220 im Bau
Puławy Power Station Grupa Azoty Grupa Azoty 100 geplant

Tabelle: Geplante und im Bau befindlicher Kohlekraftwerke in Polen. Quelle: Global Coal Plant Tracker

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